Josephine Myrtle Corbin war eine der faszinierendsten Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts. Geboren im Jahr 1868 in Tennessee, USA, kam sie mit einer seltenen medizinischen Anomalie auf die Welt – sie hatte vier Beine. Diese genetische Besonderheit, bekannt als Dipygus, entstand durch eine unvollständige Zwillingsbildung im Mutterleib. Statt sich zurückzuziehen oder sich für ihr Aussehen zu schämen, nutzte Myrtle ihre Einzigartigkeit, um Geschichte zu schreiben.
Bereits als Teenager wurde sie als „The Four-Legged Girl from Texas“ in Sideshows und Zirkussen in den USA bekannt. Tausende Menschen strömten herbei, um die junge Frau mit den vier Beinen zu sehen. Doch Myrtle war weit mehr als nur eine Kuriosität – sie war intelligent, charmant und geschäftstüchtig. Ihre Auftritte machten sie wohlhabend und unabhängig zu einer Zeit, in der Frauen kaum eigene Rechte hatten.
Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen mit körperlichen Anomalien in der Geschichte führte Myrtle ein bemerkenswert normales Leben. Sie heiratete im Alter von 19 Jahren ihren Arzt James Clinton Bicknell und brachte sechs Kinder zur Welt – eine Sensation, die Mediziner der damaligen Zeit verblüffte. Besonders interessant war dabei, dass sie über zwei getrennte Becken verfügte, was ihr eine einzigartige medizinische Konstitution verlieh.
Josephine Myrtle Corbins Geschichte fasziniert noch heute Mediziner, Historiker und Menschen weltweit. Sie wurde zum Symbol für Stärke, Selbstbestimmung und den Mut, sich selbst zu akzeptieren – unabhängig von gesellschaftlichen Normen oder körperlichen Unterschieden. Ihre Lebensgeschichte inspiriert bis heute Dokumentationen, Bücher und Forschungsartikel über seltene genetische Erkrankungen.
Myrtle Corbin starb im Jahr 1928, doch ihr Vermächtnis lebt weiter. Sie bleibt ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie man durch Selbstvertrauen und Mut selbst die größten Hürden überwinden kann.